Menü

Diagnose: Spinalkanalstenose

elderly womanFrau N., 84. Jahre alt, verlor vor 8 Jahren ihren Ehemann. Da die Ehe kinderlos geblieben war und sie auch sonst keine Unterstützung durch Angehörige hatte, zog sie in eine kleinere Wohnung im Stadtzentrum. Die wenigen sozialen Kontakte ergaben sich durch die täglichen Besorgungen und Spaziergänge. Seit 5 Jahren wurde jedoch die zu bewältigende tägliche Gehstrecke aufgrund von Schmerzen in den Beinen immer geringer, die selbstständige Versorgung und ein Rest an sozialen Kontakten schien gefährdet.

Frau N. musste bereits nach einer Gehstrecke von 50 Metern stehenbleiben, um sich irgendwo hinzusetzen. Nach wenigen Minuten konnte sie mühsam die nächste Etappe in Angriff nehmen. Der Hausarzt verschrieb zunächst niedrige Dosen an Schmerzmitteln sowie Physiotherapie. Im Verlauf musste die Dosis an Schmerzmitteln kontinuierlich bis zum Erreichen von Nebenwirkungen gesteigert werden. Nach einem Jahr veranlasste ein Orthopäde eine Kernspintomographie (MRT), welches die Diagnose einer Wirbelkanalstenose (Stenose = Enge) ergab.

Der Orthopäde erklärte Frau N., dass eine Operation immer nur das letzte Mittel der Therapie sei und erst bei fortgeschrittenen Lähmungen erwogen werden sollte. Außerdem erklärte er: „In ihrem Alter ist eine Operation zu gefährlich.“ Daraufhin erhielt die Patientin weiter Schmerzmittel. Die belastungsabhängigen Schmerzen in den Beinen nahmen aber kontinuierlich zu, sodass Frau N. schließlich ihre Wohnung nicht mehr verlassen konnte. Sie war nun auf tägliche Unterstützung durch einen Sozial- und Pflegedienst angewiesen. Durch eine Mitarbeiterin des Pflegedienstes wurde sie ermutigt, unsere neurochirurgische Ambulanz aufzusuchen.

Es stellte sich heraus, dass bei Frau N. die typischen Symptome einer Wirbelkanalverengung (Claudicatio spinalis) vorlagen. Dabei handelt es sich um eine zunehmende Einengung des Wirbelkanals (Spinalkanals). Dadurch werden die durch den Kanal verlaufenden Nerven insbesondere beim Aufrichten und Gehen gedrückt. Das führt zunächst zu einem ziehenden Schmerz, der in einem Versagen der Beine münden kann.

Im Falle von Frau N. bestand die Einengung des Wirbelkanals nur in einem begrenzten Bereich, ansonsten zeigte sich der Wirbelkanal ausreichend weit. Die anästhesiologische Untersuchung auf ihre Operationsfähigkeit zeigte trotz des höheren Lebensalters einen äußerst rüstigen Zustand der Patientin. Somit war mikrochirurgische Operation relativ risikoarm durchführbar. Wir ermutigten die Patientin zu dem Eingriff. Die Patientin willigte gerne ein, da sie mit den Einschränkungen durch die Schmerzen und die kurze Gehstrecke sehr unzufrieden war. Die Operation verlief ohne Probleme. Nach 5 Tagen konnte Frau N. bereits aus dem Krankenhaus entlassen werden, eine Anschlussheilbehandlung wurde stationär durchgeführt.

Zur Kontroll-Untersuchung nach 8 Wochen kam Frau N. zu Fuß und berichtete stolz, dass sie den Weg von ihrer Wohnung bis in unsere Praxis mit einem Handstock ohne Gehpausen geschafft hatte. Sie war sehr glücklich über den positiven Ausgang der Operation. Den Pflegedienst hatte sie schon nach der Rehabilitation abbestellt. Sie habe ihr Leben wieder „voll im Griff“.

 

Im letzten Jahr haben sich die deutschen Medien ausgiebig dem Thema einer zunehmend ökonomisierten medizinischen Versorgungsstruktur gewidmet. Schnell waren die Schuldigen ausgemacht: Vor allem Krankenhäuser würden aus finanziellen Motiven heraus ihre Ärzte nötigen, Operationen an Patienten durchzuführen, bei denen alternative Therapien ratsamer wären. Ein Fokus lag dabei auch auf Wirbelsäulenoperationen. Viel zu schnell würde der Patient zur Operation gedrängt, die meisten Wirbelsäulenoperationen seien nicht notwendig.

War diese Operation bei Frau N. mit 84 Jahren notwendig? Aus rein medizinischer Sicht nicht unbedingt! Frau N. hatte keine neurologischen Ausfallerscheinungen und hätte mit den Schmerzmitteln und dem Pflegedienst auch ohne Operation weiterleben können. Der Orthopäde hatte mit seinem Rat also nicht grundsätzlich unrecht.

Allerdings hätten die Nebenwirkungen der Opiatmedikation die noch rüstige Patientin weiter geschwächt. Die Gehstrecke wäre nicht besser geworden. Die wenigen sozialen Kontakte wären ganz ausgeblieben. Die Lebensqualität der Patientin hätte wohl stetig weiter abgenommen. Die Operation war deswegen aus unserer Sicht sinnvoll!!

 

Solche Entscheidungen sind Ermessensache und im Einzelfall genau abzuwägen. Gerade für alte Menschen, die oft wegen Begleiterkrankungen schon zahlreiche Medikamente nehmen müssen, ist eine ursächliche, maßvolle operative Therapie häufig sinnvoll.

2 Kommentare

  1. ich wurde am 17.11.2014 an der WS operiert. […] Ich (bekam) „grünes Licht“ nach Gran Canaria zu fliegen, da wir dort überwintern wollen. Hier mache ich eine therapeutische Behandlung mit Krankengymnastik und Massagen. Leider habe ich immer noch Schmerzen im rechten Bein und im Lendenwirbelsäulenbereich. Muss ich bis zur endgültigen Heilung Geduld haben oder was kann ich sonst noch machen. Ich würde mich freuen, von Ihnen eine hilfreiche Nachricht zu bekommen.

  2. Ich habe ebenso eine Wirbelsäulenkanalenge, Im letzten Jahr habe ich auf der linken Seite in die Lindenwirbel innerhalb 14 Tagen 2 Spritzen mittels CT in die Wirbelsäule bekommen. Dieses hat mir etwas geholfen.
    Jetzt habe ich nach ca 100 Metern Gehstrecke, bzw nach 5 Minuten Stehen, Schmerzen auf der Rechten Seite der Lendenwirbelsäule.
    Nehme wegen der Schmerzen alle 12 Stunden 100 mg Opiate.
    Würde mich gerne bei Ihnen vorstellen.

Schreibe einen Kommentar zu Eschkötter, Heinrich Antworten abbrechen

Pflichtfelder sind mit * markiert.