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Gesunder Rücken leicht gemacht

Seniorensport„Was kann ich für meinen Rücken tun?“ „Wie und wieviel soll man tragen?“ „Welche Sportart ist gesund für den Rücken und wie viel davon?“ „Soll man aufrecht sitzen oder gar nicht sitzen?“ „Ist Nordic walking schlecht für die Bandscheiben?“ „Ist mein Rücken von der schweren Arbeit kaputt?“

Solche oder ähnliche Fragen werden uns täglich von Patienten gestellt. Viele verschiedene Meinungen gibt es darüber, wie man mit seiner Wirbelsäule richtig umgeht, damit man keine Rückenschmerzen bekommt. Manche selbsternannte Experten und Therapeuten gehen dabei soweit, die „Schuld“ an der Erkrankung immer in einem Fehlverhalten des Patienten zu suchen. Unzählige Ratgeber sind zu diesem Thema veröffentlicht worden, nicht selten widersprechen sich die Empfehlungen und geben deshalb oft keine befriedigende Antwort.

Leider gibt es viele falsche Vorstellungen und Missverständnisse im Bezug auf eine gesunde Wirbelsäule. Daher möchten wir mit diesem Blogbeitrag etwas Klarheit schaffen und unsere Empfehlungen erläutern.

Die häufigste Ursache für Rückenbeschwerden bei unseren Patienten in der Verschleiß, medizinisch sprechen wir von Degeneration. Durch Verschleiß entsteht der überwiegende Teil der Rückenerkrankungen, die wir als Neurochirurgen täglich behandeln. Dabei ist die Degeneration eigentlich kein krankhafter, sondern ein natürlicher Prozess. Die Wirbelsäule altert mit uns und dadurch kommt es zu typischen Veränderungen, die ganz ähnlich bei fast allen Menschen auftreten.

Junge Bandscheiben bestehen überwiegend aus Wasser und sind prall elastische Puffer zwischen den Wirbeln. Die größten Feinde der Bandscheiben sind mangelnde Bewegung und anhaltende einseitige Belastungen. Wenn die Bandscheiben nicht regelmäßig in alle Richtungen durchbewegt und auch in allen Positionen belastet werden, kommt es in ihnen zu Durchblutungsstörungen. Das führt zu einer abnehmenden Elastizität und zum Einbau von Mineralien in die Bandscheibe. Sie wird immer fester und kann die Belastungen nicht mehr so gut abfangen. Dadurch entstehen Risse in den Bandscheiben. Durch die fester und schmaler werdenden Bandscheiben lockern sich die Bänder, die die Wirbel zusätzlich zusammenhalten, es entsteht Instabilität. Mit diesem Vorgang beginnt der Prozess der Wirbelsäulenalterung. Es können nun verschiedene Krankheitsbilder entstehen.

Durch die Risse der Bandscheiben können Teile der Bandscheibenkerne austreten und die Nerven bedrängen, es kommt zum Bandscheibenvorfall. Die Instabilität der Wirbel belastet die kleinen Wirbelgelenke, die jeweils zwei übereinander liegende Wirbel verbinden. Sie werden dick und verknöchern, dies nennt man Wirbelgelenksarthrose. Zusätzlich entstehen zur Stabilisierung der Wirbelsäule knöcherne Wulste und Anbauten an den Wirbeln (Osteophyten). Diese Kombination von Bandscheibenschädigung und Knochenveränderung der Wirbel nennt man Osteochondrose. Schließlich verdicken auch die Bänder immer weiter. Dadurch wird der Wirbelkanal stetig enger, es fehlt der Platz für die Nerven. Das Resultat ist die Wirbelkanalenge (Spinalkanalstenose). Reichen diese Massnahmen des Körpers nicht mehr aus, um die Wirbelsäule zu stabilisieren, entsteht das verschleißbedingte Wirbelgleiten (Spondylolsithesis), welches den Nerven(wirbel-)kanal zusätzlich einengt.

Was sind nun also die Rezepturen, die den Verschleiß aufhalten? Die Antwort ist einfach: Bewegung, Bewegung, Bewegung!

Bewegung schützt dreifach:

  1. Wie schon oben gesagt ist der schlimmste Feind der Bandscheiben die mangelnde Bewegung und die damit verbundene Durchblutungs- und Stoffwechselstörung. Darum ist regelmäßiges Durchbewegen der gesamten Wirbelsäule ein probates Mittel gegen den Verschleiß. Das ist die Basis auf der Rückenschulprogramme, aber auch andere gesundheitsfördernde Bewegungsprogramme bis hin zu Yoga u.a. beruhen. So schützt jede Form der Bewegung die Bandscheiben. Es spielt praktisch keine Rolle, welcher Form der Bewegung die Wirbelsäule ausgesetzt wird. Der Rücken liebt die Bewegung und die Abwechslung. Statische und einseitige Haltungen über einen längeren Zeitraum sollten vermieden werden. So ist auch das Tragen schwerer Lasten in der Regel kein Problem, wenn es mit leichteren Tätigkeiten und mit verschiedensten Positionen abwechselt. In unserer Praxis stellen wir immer wieder fest, dass Bauarbeiter viel seltener mit Rückenproblemen zu tun haben als Bürokaufleute. Das statische Sitzen an einem Computer ist z.B. für die Wirbelsäule schädlicher als die sehr abwechslungsreiche Tätigkeit in vielen Handwerksberufen. Aufrechtes Sitzen ist über einen längeren Zeitraum genauso ungünstig wie stundenlanges gebeugtes Lümmeln auf dem Stuhl. Die Abwechslung macht den Unterschied!
  2. Die Wirbelsäule wird bewegt und geschützt durch ein ausgeklügeltes Muskelsystem, das den Rücken wie ein Korsett stützt. Durch regelmäßige und abwechslungsreiche Bewegung erreichen wir einen ausgewogenen Aufbau und ein gut funktionierendes Zusammenspiel der Muskulatur rund um unsere Wirbelsäule. Dadurch wird der gesamte Halteapparat der Knochen, Bänder, Bandscheiben und Gelenke unterstützt, so wird der Verschleiß verlangsamt. Allerdings ist hier ein gesundes Mass wichtig: Zu mächtige und überbordende Muskulatur belastet den Bewegungsapparat und damit auch die Wirbelsäule. Daher ist Bodybuilding eher schädlich.
  3. Die Wirbelknochen stellen den Hauptbestandteil der Wirbelsäule dar. Ihre Festigkeit und Haltbarkeit wird ganz wesentlich von ihrer regelmäßigen Inanspruchnahme durch Bewegung bestimmt. Studien haben längst gezeigt, dass regelmäßige Bewegung und Sport zu den besten Prophylaxemassnahmen gegen Knochenerweichung, die sogenannte Osteoporose, zählen. Ein gesunder und belastbarer Wirbelknochen ist aber eine wichtige Voraussetzung für eine gesunde Wirbelsäule. Daher hilft Bewegung auch über die Stärkung der Wirbelknochen gegen den Verschleiß der Wirbelsäule.

Viele der Fragen vom Anfang dieses Blogbeitrags sind also viel zu kompliziert gedacht. Nicht die Sportart, nicht das Gewicht der Einkaufstasche und nicht die Art der Matratze oder der Sitzgelegenheit entscheidet wesentlich über den Zustand der Wirbelsäule. Schon unsere Großeltern wussten: Wer rastet, der rostet! Das gilt insbesondere auch für die Wirbelsäule.

Weil Sie nun zehn Minuten diesen Beitrag gelesen haben, ist es jetzt an der Zeit, für Abwechslung zu sorgen. Stehen Sie auf, strecken und beugen sie ihren Rücken einmal in alle Richtungen und erledigen Sie für die nächsten drei Minuten ein paar Dinge im Gehen. Sehen Sie? So einfach ist das Rezept für einen gesunden Rücken.

Herzlich, Ihre Blogger

5 Kommentare

  1. Klasse, Sie bringen es auf den Punkt: „Die größten Feinde der Bandscheiben sind mangelnde Bewegung und anhaltende einseitige Belastungen.“

    Und gerade die unzähligen Sitzarbeiter sind davon betroffen. Sie sitzen den ganzen Tag im Büro, die Bandscheiben werden nicht durchbewegt, die Muskulatur verkümmert …

    Da die Zahl der sitzenden Büromenschen ständig zunimmt, kann man gar nicht genug darauf hinweisen, wie wichtig Bewegung und Muskeltraining ffür die Gesundheit von Rücken und Wirbelsäule sind.

  2. Schöner Artikel, vor allem der letzte Absatz gefällt mir …

    Ich bin ja sogar der Meinung, dass man Wirbelsäule und Bandscheiben ein Leben lang funktionstüchtig und schmerzfrei halten kann. Mit dem richtigen Training, das neben der Kräftigung auch Dehnung beinhalten sollte, und immer mal Bewegung zwischendurch sollte das klappen. Ich sag in 40 Jahren mal Bescheid 😉

    Übrigens ist die Entspannung auch ein wichtiger Faktor, wir machen uns heute viel zu viel Stress, das verspannt die Muskulatur und verhindert jede Regeneration.

  3. Sehr schöner und informativer Text. Ich selbst sitze viel am Rechner und habe mittlerweile angefangen regelmäßig Sport zu treiben…ich glaube das tut meinem Rücken sehr gut.

    Hoffentlich werde ich nie Probleme mit dem Rücken bekommen. Mein alter Herr hat da schon mehr zu kämpfen.

    Schöne Grüße,
    Simon

  4. Sehr schön und vor allen Dingen verständlich geschrieben!

    Meiner Meinung nach setzen sich viel zu viele Menschen mit ihren Rückenschmerzen gar nicht richtig auseinander…doch wie soll es dann besser werden? Interessant finde ich auch wie die alten Sprichwörter immer noch ihre Gültigkeit haben: „Wer rastet der rostet…“

    Mal eine persönliche Frage: Wie sieht es eigentlich bei Rückenschmerzen bei jungen Menschen aus? Ist hier auch mit mehr Bewegung Abhilfe getan oder geht es eher darum falsche Haltung oder Belastungen, durch zum Beispiel ein schweren Schulranzen zu minimieren?

    LG Kai

  5. Klasse geschrieben, wusste garnicht dases so einfach ist seinen Rücken so zu schützen, oder gar stärken durch Bewegung. Einerseits logisch, aber würde nicht sofort an die Einfachste Lösung mir Gedanken machen.
    Vielen dank wieder etwas gelernt 🙂
    LG
    Angird

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