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Plasmozytom

Plasma-cells-websiteWohl niemand hätte ahnen können, was sich hinter ihren Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule verbergen würde, bis Hildegard G. ihren Orthopäden aufsuchte. Schon einige Wochen hatte sie immer wieder und zunehmend Schmerzen zwischen den Schulterblättern bemerkt, eigentlich nichts besonderes in ihrem Alter, dachte die 63-jährige. Ein Wärmekissen hatte meistens geholfen, der Hausarzt hatte ihr auch Massagen verschrieben, die sie aber eher nicht vertrug.

Ihr Ehemann drängte sie zum Orthopäden, der eine erhebliche Verspannung der Rückenmuskulatur feststellte. Der Vollständigkeit halber ließ er die Halswirbelsäule röntgen und fand überraschenderweise zwei verdächtig veränderte Halswirbel. Das Bild wirkte so, als hätte die Patientin eine schwere Osteoporose mit teilweise gebrochenen Wirbeln. Richtigerweise veranlasste der Orthopäde daraufhin ein Kernspintomogramm und schickte Frau G. In unsere Praxis.

Die Beschwerden hatten sich bis dahin nicht wesentlich verändert, waren durch Schmerzmittel etwas erträglicher geworden und strahlten dafür etwas mehr auch Richtung Hinterhaupt aus. Neurologische Ausfälle hatten sich nicht gezeigt. Auch sonst hatte Hildegard G. nicht das Gefühl, besonders krank zu sein. Das MRT zeigte jedoch eine ganz andere Wahrheit: Fast alle dargestellten Wirbel waren von einem Tumor befallen, der 1. Brustwirbel sogar völlig davon zersetzt und zusammengebrochen. Andere Wirbel hatten schon kleinere Einbrüche und Frakturen erlitten. Vor der Halswirbelsäule zeigte sich zusätzlich ein großer Weichteiltumor.

Damit waren zwar die Beschwerden der Patientin gut erklärbar, andererseits ließen die MRT-Aufnahmen nur einen Schluss zu: Frau G. litt an einem noch unbekannten bösartigen Tumor, der bereits zahlreiche Wirbelsäulenmetastasen zur Folge hatte. Mit einer einfachen Operation an der Halswirbelsäule war es also bei weitem nicht getan. Eine weitere Untersuchung der übrigen Körperregionen war dringend vonnöten, bevor über eine sinnvolle und zielführende Therapie entschieden werden konnte.

Es wurde also ein Computertomogramm des Brust- und Bauchraums veranlasst. Diese zeigten sich erwartungsgemäß weitere Befunde: Auch im Beckenknochen und im Kreuzbein gab es große Tumoren, die die Knochensubstanz fast vollständig aufgelöst hatten. Die sonstige Wirbelsäule war frei von Tumoren. Eine Blut- und Urinuntersuchung zeigte weitere Auffälligkeiten. Eine Untersuchung des Knochenmarks erbrachte schließlich den endgültigen Nachweis der zugrundeliegenden Erkrankung. Es handelte sich um ein multiples Myelom, auch Plasmozytom genannt.

Diese Krebserkrankung der blutbildenden Zellen ist gekennzeichnet durch eine krankhafte Vermehrung von sog. Plasmazellen, die Antikörper für die Immunabwehr produzieren. Das Zellwachstum findet in den Knochen statt, die sich daher zunehmend auflösen. Häufig werden durch die hohe Antikörperzahl im Blut auch die inneren Organe geschädigt. Das multiple Myelom tritt unter 100.000 Menschen pro Jahr etwa 4 mal auf und betrifft meist ältere Menschen (durchschnittlich mit 66 Jahren).

Die Behandlung von Frau G. musste also in erster Linie durch eine Chemotherapie und eine Bestrahlung der Wirbelsäule erfolgen und nicht durch eine Operation. Die Patientin kam durch geeignete Medikamente inzwischen mit den Schmerzen ganz gut zurecht. Wir hatten ihr zur vorübergehenden Stabilisierung der Halswirbelsäule eine angepasste Orthese verordnet, die sie während der Zeit der onkologischen Behandlung tragen sollte. Es wurde vereinbart, dass sich Frau G. nach Abschluss der Chemotherapie und Bestrahlung wieder bei uns vorstellen sollte, um dann ggf. die Hals- und Brustwirbelsäule durch eine Operation zu stabilisieren.

Frau G. wird derzeit chemotherapeutisch behandelt. Wir wissen noch nicht, wie die Therapie anschlagen wird und ob die Patientin sie gut überstehen wird. Die Prognose der Patienten mit multiplem Myelom konnte in den letzten Jahren durch neue onkologische Behandlungen verbessert werden, dennoch beträgt die Überlebenszeit in den meisten Fällen auch bei optimaler Behandlung nur 3-5 Jahre.

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