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Das Cauda-equina-Syndrom – ein Bandscheiben-Notfall

Rettungsdienst

Es ist gegen 20.00h Herr R. wird mit dem Rettungswagen aus einem benachbarten Krankenhaus zu uns verlegt. Der 48-jährige Patient hat seit 24 Stunden die Kontrolle über seine Füße verloren. Er kann seitdem nicht mehr selbstständig laufen. Gleichzeitig könne er das „Wasser nicht mehr halten“. Damit handelt es um einen sogenannten spinalen Notfall, dessen Ursache dringlich behoben werden muss.

Bei der Aufnahmeuntersuchung zeigt sich ein inkomplettes Querschnittsyndrom, d.h. die Fähigkeit zur Gefühlsempfindung und zur Bewegung ist in der unteren Körperhälfte fast vollständig verschwunden. Herr R. ist verzweifelt, war er doch bis auf einen harmlosen Bandscheibenvorfall vor sechs Monaten immer gesund. Im notfallmäßig durchgeführten MRT (Kernspintomographie) der Wirbelsäule zeigt sich zwischen dem dritten und vierten Lendenwirbelkörper eine völlige Verlegung („Verstopfung“) des Spinalkanals durch Bandscheibengewebe. In diesem Fall ist also nicht wie meist üblich nur eine einzige Nervenwurzel vom Bandscheibenvorfall bedrängt, sondern alle Nervenwurzeln, die den Wirbelkanal in dieser Höhe passieren werden fast komplett zerdrückt. Dazu passt auch, dass Herr R. eher weniger Schmerzen hat, als es bei einem „klassischen Bandscheibenvorfall“ üblich ist. Da die Symptome so gravierend sind, wird Herr R. aus dem Kerspintomographen direkt in den Operationsaal gefahren, wo mikrochirurgisch die ausgetretene Bandscheibe (Bandscheibensequester) entfernt wird und somit die Passage für die durchtretenden Nervenwurzeln wieder frei ist.

Solche Szenarien sind selten, aber für den Patienten mit langanhaltenden Konsequenzen.

Wie kam es dazu? Wie schon erwähnt war bei Herrn R. schon vor sechs Monaten ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert worden. Er klagte damals über belastungsabhängige Schmerzen im rechten Bein. Im MRT stellte sich der Vorfall jedoch als sehr groß dar. Der behandelnde Arzt untersuchte Herrn R. gründlich, stellte aber keine Lähmungen fest. Somit bestand nach den Leitlinien auch keine direkte Operationsindikation. Herr R. hätte zu diesem Zeitpunkt auch keiner Operation zugestimmt, da sich die Schmerzen nach einer periradikulären Injektion (PRT) im Computertomographen zurückbildeten. Im Verlauf wurden noch sechs weitere PRT-Sitzungen durchgeführt. Zwischenzeitlich hatte Herr R. keine Rückenprobleme mehr.

Am Aufnahmetag kam es dann bei einem Hustenanfall zu einem weiteren Nachrutschen des Sequesters, der nun den Wirbelkanal vollständig verlegte und somit zu den Lähmungserscheinungen geführt hat.

Herr R. wurde problemlos operiert. Allerdings bildeten sich zunächst nur die leichten Schmerzen zurück. Herr R. erlernte in einer neurologischen Frührehabilitation langsam wieder das Gehen. Nach inzwischen sechs Monaten kann er wieder selbstständig an Unterarmgehstützen laufen. Eine vollständige Kontrolle über die Blasenfunktion hat er noch nicht.

Hätte man in diesem Fall etwas besser machen können? Grundsätzlich erleidet ein solches Schicksal nur ein verschwindend kleiner Anteil von Menschen mit nachgewiesenen Bandscheibenvorfällen. Zurückblickend hätte man Herrn R. bereits vor sechs Monaten darüber informieren müssen, dass der Bandscheibenvorfall mehr als 70% des Wirbelkanals verlegt hatte und somit nur noch wenig Platzreserve vorhanden war. Am Aufnahmetag ist damit wertvolle Zeit verstrichen, da diese Gefahr dem Patienten nicht bewusst war.

Auch wenn wenig symptomatische Bandscheibenvorfälle üblicherweise nicht operiert werden, sollte bei einer starken Einengung des Wirbelkanals durch einen Bandscheibenvorfall (nicht zu verwechseln mit der chronischen Einengung bei einer verschleißbedingten Wirbelkanalstenose) in Einzelfällen eine Operation diskutiert werden, wenn kaum noch Reserveraum vorhanden ist.

1 Kommentar

  1. Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Greiner und Dr. Möllmann,
    gibt es Schmerztabletten gegen „CAUDA-EQUINA-SYNDROM“ oder die annähernd helfen und gibt es Ärzte in Hamburg oder Lübeck die sich auf das Cauda-Sydrom spezialisiert haben.
    MfG
    Jens Schwarzer

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