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Der Kopfsprung

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Sommer, Sonne, Badezeit. Für viele die schönste Zeit des Jahres, birgt sie aber auch manche Risiken. Insbesondere die Anzahl der Freizeitunfälle steigt in dieser Zeit sprunghaft an.

Marco ist mit seinen Freunden zu einem nahen Badesee zum Schwimmen gefahren. Bei schönstem Wetter springen er und seine Freunde in den See. Marco macht aus vollem Lauf einen Hechtsprung in das vermeintlich tiefe Wasser.

Diese und ähnliche Situationen spielen sich im Sommer regelmäßig in Deutschland ab.

Marco schlägt mit dem Kopf auf dem Grund des Sees auf, der Kopf wird dabei auf die Brust gedrückt. Bereits während des Aufpralls schießt ein elektrischer Strom durch seinen ganzen Körper, so erzählt er uns später.

Seine Freunde bemerken sofort, dass etwas mit ihm nicht stimmt, da Marco reglos im Wasser liegen bleibt. Sie alarmieren über die Nummer 112 den Notarzt.

Als Marco per Rettungshubschrauber bei uns eintrifft liegt er in Narkose und ist künstlich beatmet. Der Notarzt hatte ihn zwar ansprechbar vorgefunden, allerdings waren keine Bewegungen der Arme und Beine gesehen worden. Marco klagte über ein Taubheitsgefühl des Körpers und über starke Nackenschmerzen.

Marco hatte erst vor kurzem eine Ausbildung als Mechatroniker begonnen. Dies war schon immer sein Traumberuf gewesen.

Nach der Übergabe im Schockraum wurde Marco unter dem Verdacht einer schweren Halswirbelsäulenverletzung in die Computertomographie gebracht. Hier bestätigt sich ein vollständiger Bruch des 5. und 6. Halswirbelkörpers mit einer deutlichen Kompression des Rückenmarkes. Um eine Aussage über die Bänder in diesem Bereich zu machen wird notfallmäßig eine Kernspintomographie durchgeführt. Hier bestätigt sich der Verdacht, dass es zu einer Zerreißung der vorderen und hinteren Bandstrukturen gekommen ist. Das Rückenmark zeigt im Frakturbereich eine ausgeprägte Schwellung. Damit handelt es sich um eine höchst instabile Verletzung. Die hirnversorgenden Arterien sind intakt geblieben.

Marco kommt direkt in den Operationssaal. Hier wird in einer mehrstündigen Operation das Rückenmark von vorne und von hinten entlastet. Von vorne werden die geborstenen Wirbelkörper entfernt, durch Kochen ersetzt und mit einer Platte verschraubt. Von hinten werden die Wirbelbögen mit Schrauben stabilisiert.

Postoperativ ließen wir Marco direkt wach werden. Eine Bewegung der Beine zeigt sich bei der Untersuchung nicht. Auch die Arme können nicht gestreckt werden, allerdings werden sie leicht gebeugt.

Marco kann sich an den Moment des Aufschlags noch gut erinnern. Durch die Operation wurde wieder eine gute Stabilität der Halswirbelsäule erreicht, allerdings bestimmt die ursprüngliche Krafteinwirkung und die damit verbundene Schädigung des Rückenmarks den weiteren Verlauf.

Marco wird bereits nach fünf Tagen von einem Querschnittszentrum (Spezialeinrichtung zur Rehabilitation querschnittsgelähmter Patienten) übernommen.

Ein Jahr später sehe ich Marco zum nächsten Mal. Er wurde die ganze Zeit im Querschnittszentrum behandelt worden. Stolz zeigt er mir, dass er mit zwei Gehstützen kurze Wege selber gehen kann. Die Bewegungsfähigkeit der Arme ist annähernd normal. Die Blasenfunktion ist noch gestört.

Marco wird für immer eine schwere Gehstörung beibehalten, aber er kann anderthalb Jahre nach dem Unfall seine Ausbildung als Mechatroniker fortsetzten. In einer KFZ-Werkstatt wird er nicht mehr körperlich arbeiten können, er hat aber schon das Angebot einer Firma, die sich mit der Entwicklung von Fahrzeugelektronik beschäftigt, vorliegen

Ein unachtsamer Moment hat Marcos gesamtes Leben verändert. Er hadert aber nicht mit sich, sondern sieht positiv in die Zukunft.

Wir veröffentlichen diesen Blog, da wir solche Unfälle regelmäßig sehen. Sprechen Sie Ihre Kinder aktiv an, dass sie nicht in unbekannte Gewässer springen, schon gar nicht mit dem Kopf zuerst.

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