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Der Schulausflug

Der Schulausflug

Ein 15-jähriges Mädchen wird mit schwerem Rückenleiden in die Notaufnahme gebracht. Sie krümmt sich vor Schmerzen. Pure Verzweiflung schlägt uns beim Aufnahmegespräch entgegen. Bislang ist die junge Dame immer gesund gewesen. Seit dem Morgen aber hat sie so heftige Schmerzen in der Lendenwirbelsäule, dass sie nicht einmal mehr ihre Beine bewegen kann.

Die Schmerzen haben akut eingesetzt, strahlen aber nicht in die Beine aus; ein Unfall als Ursache ist nicht ersichtlich. Die Eltern sind bei der Einlieferung nicht anwesend.

Die junge Frau ist deutlich übergewichtig (Body-Mass-Index von 36). Bei der Untersuchung zeigt sich eine Minderbewegung beider Beine, deren Ursache nicht offensichtlich ist. Das Mädchen ist bei der Anamneseerhebung seltsam wortkarg, die Schmerzbeschreibung trägt jedoch theatralische Züge.

Nach den ersten Schmerzinfusionen innerhalb einer Stunde folgt eine Kernspintomographie (MRT) der Lendenwirbelsäule und der Brustwirbelsäule des Mädchens um eine Blutung oder einen Tumor als Ursache auszuschließen. Es zeigen sich jedoch keine pathologischen Veränderungen des Rückenmarks.

In den kommenden vier Tagen ist die junge Frau weiter vor Schmerzen fast bewegungsunfähig. Auffällig ist jedoch, dass selbst stärkste Schmerzmittel nicht anschlagen. Nach weiteren elektrophysiologischen und laborchemischen Untersuchungen sind wir ratlos. Wir versuchen uns, ein Gespräch anzustoßen, um eine mögliche seelische Ursache zu finden: vergeblich. Das Mädchen bleibt verschlossen.

Bei der Visite am fünften Tag nach der stationären Aufnahme präsentiert sich die Patientin wie ausgewechselt. Die Schmerzen sind fort, die Gehfähigkeit ist zurückgekehrt und die junge Frau drängt auf ihre Entlassung.

Bei einem solch akuten Ereignis müssen wir als behandelnde Ärzte zunächst vom Schlimmsten ausgehen, in diesem Falle sogar von einem unklaren Querschnittssyndrom.

Wir waren über die spontane Genesung höchst überrascht und die Ursache der Symptomatik stellte sich wenig später durch einen Zufall heraus: Das Mädchen war aufgrund ihres Übergewichts eine schlechte Sportlerin und in ihrer Klasse unbeliebt, oder glaubte dies zumindest.

Am fünften Tag ihres Krankenhausaufenthalts war die Klasse des Mädchens zu einem einwöchigen Schulausflug aufgebrochen. Für die 15-Jährige gab es also keinen Grund mehr, sich im Krankenhaus zu „verstecken“.

Welche Rolle spielt die Seele bei der Entstehung oder Ausprägung von Wirbelsäulenerkrankungen? Die wahre Geschichte „Der Schulausflug“ hat diesen Zusammenhang sicher in einer sehr ausgeprägten Form dargestellt. Das Mädchen hatte eine gesunde Wirbelsäule und litt trotzdem unerträgliche Schmerzen.

Wie verhält es sich nun bei Patienten, die wie die meisten von uns, bereits deutliche Formen eines Wirbelsäulenverschleißes aufweisen?

Der Einfluss der Seele auf Schmerzerkrankungen der Wirbelsäule ist insbesondere bei Operationsindikationen zu berücksichtigen, um Eingriffe zu vermeiden, die zu keiner dauerhaften Besserung führen können. Nicht immer ist der psychosomatische Anteil der Schmerzen für den Chirurgen so offensichtlich, insbesondere bei zusätzlich ausgeprägten Verschleißerkrankung der Wirbelsäule. Hier gilt es eine sorgsame Anamnese zu erheben und sich ggf. psychologischen Rat einzuholen.

Die kommende Geschichte berichtet von einem kleinen Bandscheibenvorfall, der das Leben eines Hubschrauberpiloten vollständig veränderte.

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