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Die Verkäuferin

Übergewichtige Wanderin schaut in die Landschaft, Rückansicht

Frau M. ist übergewichtig. Bei einer Körpergröße von 168 cm wiegt die Patientin 108 kg. Als Verkäuferin im Einzelhandel steht die 34-jährige Patientin acht Stunden täglich in einem Geschäft. Seit zwei Jahren kommt es aufgrund von Rückenschmerzen immer wieder zu längeren krankheitsbedingten Ausfällen. Bereits mit 29 Jahren wurde sie erstmals an einem linksseitigen Bandscheibenvorfall zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel operiert, weitere Operationen in diesem Bereich folgten. Die Patientin wendete sich an uns, da der Arbeitgeber bei weiteren Ausfällen mit einer Kündigung gedroht hat.

Hauptsymptom bei  Frau M. war ein starker, im Verlauf des Tages zunehmender tiefer Rückenschmerz. Desweiteren bestand ein belastungsabhängiger linksseitiger Ischiasschmerz, der im Liegen jedoch nicht vorhanden war. Ambulante Rehabilitationsmaßnahmen hatten keine dauerhafte Besserung erbracht. Frau M. war inzwischen mit einem Morphinpflaster versorgt worden. Die ständigen Schmerzen hatten sich inzwischen auch auf die private Situation ausgewirkt. Der Ehemann hatte sich von der Patientin getrennt, die 16-jährige Tochter war weitgehend selbstständig.

Die körperliche Untersuchung ergab, dass keine Lähmungen vorhanden waren, allerdings diffuse Gefühlsstörungen des linken Beines. Zum Zeitpunkt der Untersuchung ließen sich die Ischiasschmerzen links provozieren.  Auf die Frage, ob der Rückenschmerz oder der Beinschmerz belastender sei, nannte die Patientin prompt den Rückenschmerz. Selbst beim nächtlichen Umdrehen im Bett habe sie das Gefühl der Rücken würde durchbrechen. Was es heißt, damit als Verkäuferin acht Stunden in einem Geschäft zu stehen, lässt sich nur erahnen.

Die Kernspintomographie (MRT) mit und ohne Kontrastmittel ergab eine deutliche Narbenbildung im Bereich der Voroperationen sowie eine fast vollständige Auflösung der Bandscheibe zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel. Dadurch kam es zu einer schmerzhaften Reizung mit Veränderungen der benachbarten Wirbelkörperunter- und oberseiten (Osteochondrose der Deckplatten). Das deutlich erhöhte Körpergewicht der Patientin trug ebenfalls zur Entstehung dieses chronischen Prozesses bei.

Wir haben die Patientin zunächst gebeten, zeitnah etwas Gewicht zu reduzieren. Eine erneute Rückenoperation hätte zur weiteren Narbenbildung beigetragen. Eine Versteifung in dem voroperierten Bereich wollten wir aufgrund des jungen Alters der Patientin ungern durchführen. Nach gemeinsamer Abwägung der Vor- und Nachteile entschieden wir uns für das Einsetzten einer künstlichen Bandscheibe durch die Bauchdecke, um bei der jungen Patientin die Beweglichkeit zu erhalten und die benachbarten Wirbelsäulenstrukturen zu schützen. Moderne Bandscheibenprothesen sind inzwischen technisch sehr ausgereift und den Belastungen langfristig gewachsen.

Wir begleiten Frau M. seit mehreren Jahren nach der Operation. Sie ist zwar nach wie vor übergewichtig, kann ihrem Beruf aber wieder nachgehen. Die Rückenschmerzen bewegen sich in einem Ausmaß, wie sie vermutlich viele Menschen nach achtstündiger stehender Arbeit hätten. Die Beinschmerzen sind nicht mehr nachweisbar. Die Patientin berichtet über eine neue Lebensqualität, die sich auch in Ihrem Privatleben widerspiegelt. Ein Morphinpflaster ist nicht mehr notwendig.

Bandscheibenprothesen an der Halswirbelsäule und an der Lendenwirbelsäule können die Lebensqualität deutlich verbessern, allerdings gibt es auch Kontraindikationen. Zunächst ist die Indikationsstellung zur Implantation kritisch zu stellen, Alternativen müssen bedacht werden. Die korrekte Implantation erfordert viel Erfahrung, insbesondere beim Einbringen über einen Bauchschnitt. Stimmen jedoch alle Voraussetzungen, ist es eine sehr gute Methode.

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