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Frohe Weihnachten

Liebe Leserinnen, lieber Leser,

die Adventszeit hat begonnen und Weihnachten steht mal wieder schneller als erwartet vor der Tür. Dies ist die Zeit der Jahresrückblicke, in denen man das vergangene Jahr Revue passieren lassen kann.
Wir haben unseren Wirbelsäulenblog im Oktober 2014 das erste Mal online gestellt. Auch für uns war es interessant, Krankengeschichten nochmal unter einem anderen Gesichtspunkt aufzuarbeiten. Viele positive Rückmeldungen haben uns darin bestätigt, das Projekt weiterzuführen. Wir gehen auch gerne auf Wünsche und Anregungen zu speziellen Themenbereichen der Wirbelsäule ein.

Unser Dezember-Blog soll diesmal mal keine Geschichte erzählen, davon hören wir in der Weihnachtszeit schon genug, sondern sich mit der Frage befassen, ob tatsächlich zu häufig an der Wirbelsäule in Deutschland operiert wird.

Die Antwort ist zunächst eindeutig: Ja!
Die Schuldigen sind meist schnell ausgemacht. Aber wie kommt es dazu, dass Deutschland in der Anzahl der durchgeführten Wirbelsäulenoperationen Europameister ist? Im Übrigen gilt dies nicht nur für Wirbelsäulenoperationen, sondern auch für Eingriffe an den großen Gelenken (Hüfte, Knie, Schulter).

Die Ursachen dafür sind vielfältig. Zunächst ist eine natürliche Steigerung der Operationsfrequenz in den kommenden Jahrzehnten als natürlich und unvermeidbar anzusehen. Die Alterszusammensetzung der Menschen in Deutschland verändert sich, die Gesellschaft wird stetig älter. Da im Alter Wirbelsäulenerkrankungen zunehmen, ist auch ein Anstieg der Operationszahlen zu erwarten. Allerdings sehen wir uns mit einem unverhältnismäßigen Anstieg konfrontiert. Wie kommt es dazu?

Auch hier sind die Ursachen vielfältig. So steht uns zum Beispiel heutzutage flächendeckend eine verbesserte Diagnostik zur Verfügung steht. Eine Kernspintomographie (MRT) ist relativ zeitnah zu bekommen. Dass in fortgeschrittenem Lebensalter vermehrte Verschleißerscheinungen zur Abbildung kommen, versteht sich von selbst.
Die sehr genau auflösende bildgebende Diagnostik führt vielfach dazu, dass pathologische Befunde operiert werden, die jedoch wenig oder keinerlei klinische Relevanz haben. Häufig mangelt es uns Ärzten daran, den klinischen Befund dem bildgebenden Befund zuzuordnen. Die höchste Wahrscheinlichkeit als Patient von einer Operation zu profitieren ist nach wie vor, wenn die geschilderten Beschwerden, der Untersuchungsbefund und die bildgebende Diagnostik (z.B. MRT) zusammenpassen. Leider ist auch dies nicht immer der Fall, wie Geschichten aus unserem Blog zeigen.

Ein weiterer Grund für die gestiegenen Operationszahlen ist das fehlende Ausschöpfen aller konservativen Möglichkeiten. Dies gilt insbesondere für Bandscheibenvorfälle, die keine Lähmungen verursachen. Im Gegensatz hierzu gibt es für die sogenannte Spinalkanalstenose kaum konservative Alternativen.

Nicht nur die Ärzte tragen daher ihren Anteil an einer steigenden Frequenz von Operationen bei. Auch Patienten beeinflussen diese durch eine häufig überhöhte Anspruchshaltung. Verständlicherweise ist auch im hohen Lebensalter der Wunsch vorhanden, weitestgehend beschwerdefrei zu sein. Allerdings werden dadurch manchmal Operationen eingefordert, die dem Patienten auf lange Sicht nicht helfen.

Warum haben wir in den letzten Jahren in Deutschland einen sprunghaften Anstieg von Wirbelsäuleneinrichtungen mit Operationsmöglichkeiten verzeichnen können? Es ist nicht alleine das Prinzip “Angebot und Nachfrage“. Natürlich lässt sich mit Wirbelsäulenoperationen Geld verdienen und, da jeder im Alter Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule aufweist, besteht ein schier unerschöpflicher Markt.

Bei einer politisch gewollten Unterfinanzierung der Krankenhäuser, können diese nur wirtschaftlich arbeiten, wenn eine jährliche Steigerung der Erlöse um 3-5% erreicht wird. Dies ist ohne eine Ausweitung der Leistungen jedoch nicht möglich, da die Effektivität durch Prozessgestaltung in den Krankenhäusern inzwischen deutlich verbessert wurde. Eine Leistungssteigerung lässt sich aus obengenannten Gründen im Bereich der Wirbelsäulenerkrankungen jedoch leicht erreichen. Flankierend dazu bietet die Industrie zunehmend neue Implantate an und ruft dadurch eigene Märkte ins Leben.

Die Herausforderung an uns Ärzte ist es einen Mittelweg zu finden. Einerseits darf nicht jeder Trend ohne ausreichende Prüfung mitgemacht werden, anderseits muss durch eine ständige Weiterbildung gewährleistet sein, dass die Medizin auf dem aktuellen Stand ist. Man darf ökonomische Aspekte nicht außer lassen, die Indikationsstellung zur Operation muss aber unbeeinflusst davon stattfinden.

Und letztlich sollte die Operation erst nach Versagen aller konservativen Möglichkeiten und nach Plausibilitätskriterien durchgeführt werden.

Denn weniger ist manchmal mehr……….

In diesem Sinne, schöne Weihnachten und kommen Sie gut in das Jahr 2016.

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