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Rutschpartie mit Bechterew

Ein nicht gestreuter eisglatter Gehweg hätte Andreas K. fast in den Rollstuhl gebracht. Ein kompletter Durchbruch der Brustwirbelsäule war die Folge eines Sturzes. Dabei hatte er geglaubt durch seine chronische Wirbelsäulenerkrankung „Morbus Bechterew“ habe er besonders stabile Knochen. Diese Geschichte erzählt, wie Andreas K. vor einem Querschnittssyndrom bewahrt werden konnte und warum eine übermäßig steife Wirbelsäule keine stabile Wirbelsäule ist.

Andreas K. wollte nur schnell zur Garage gehen, weil er sein Handy im Auto liegen gelassen hatte. Der kurze Weg führte von der Haustür quer über den Hof. Zu spät bemerkte er, dass es in der Nacht gefroren hatte und der morgendliche Regen das Pflaster in eine spiegelglatte Fläche verwandelte. Noch vor der Haustür rutschte Andreas aus und fiel rücklings hin. Sofort merkte er einen heftigen Schmerz in der Brustwirbelsäule, einige Sekunden konnte er sich nicht bewegen. Seine Frau hatte seinen Aufschrei gehört und fand ihren Ehemann mit schmerzverzerrtem Gesicht vor der Haustür liegend. Sie rief den Notarzt und Andreas K. wurde in unsere Klinik gebracht.

Das CT der Wirbelsäule zeigte schnell das Problem. Die Brustwirbelsäule war zwischen dem 6. und 7. Brustwirbel komplett durchgebrochen. Das ist eine äußerst instabile Situation, die das Rückenmark, das in der Wirbelsäule verläuft, bei jeder Bewegung gefährdet. Außerdem zeigte sich auf den CT-Bildern eine übermäßige Verknöcherung der Wirbelsäule, sodass alle eigentlich beweglichen Bandscheiben durch Knochen überwuchert und damit versteift waren. Die Wirbelsäule war damit wie ein unbeweglicher Stab, der nun an einer Stelle komplett durchgebrochen war.

Diese bei Andreas K. erkennbare Verknöcherung der Wirbelsäule ist ein unter dem Namen „Morbus Bechterew“ recht bekanntes Krankheitsbild.  Der russische Neurologe und Psychiater Wladimir Bechterew hat Anfang des 20. Jahrhunderts die bekannteste Beschreibung dieser chronischen und entzündlichen Wirbelerkrankung veröffentlicht. Die Wirbelsäule der Patienten verstieft im Laufe von Jahren immer weiter, die Patienten kommen dabei meist in eine zu starke Krümmung nach vorne und können entsprechend später nur mit vorgebeugtem Oberkörper stehen. Irgendwann ist auch der Blick geradeaus kaum noch möglich. Außerdem kommt es zu Atemproblemen, da der Brustkorb  durch die Wirbelsäulenverkrümmung immer mehr eingestaucht wird.

Andreas K. wusste von seiner Erkrankung, sie war vor einigen Jahren diagnostiziert worden, allerdings hatte er bisher kaum Beschwerden gehabt. Er hatte angenommen, wegen der starken Verknöcherungen eine besonders stabile Wirbelsäule zu haben. Leider ist das Gegenteil der Fall: Beim M. Bechterew ist die Wirbelsäule wegen der langstreckigen starren Unbeweglichkeit bei Unfällen besonders gefährdet.

Wir erklärten Andreas K. die besondere Situation. Der Bruch muss durch eine Operation stabilisiert werden, da sonst das Rückenmark hochgradig gefährdet ist. Der Patient sprach uns das Vertrauen aus und die Operation konnte noch am selben Tag durchgeführt werden. Wir verankerten Schrauben in den Wirbelkörpern ober- und unterhalb der Fraktur und verbanden diese Schrauben durch zwei längsverlaufende stabile Titanstäbe. So konnte eine ausreichende Stabilität erreicht werden.

Nach der Operation konnte Andreas K. schon am nächsten Tag aufstehen und im Zimmer umhergehen. Er war sehr froh über den glücklichen Verlauf.  Die Operationswunde heilte prima. Nach einer Woche fühlte sich der Patient stark genug, um nach Hause entlassen zu werden. „Passen Sie auf, dass Sie nicht wieder stürzen“, gab ich ihm noch mit auf den Weg. „Keine Sorge“, lachte er, „meine Frau hat schon Streusalz besorgt

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